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Thursday, July 28, 2016

Manager Magazin; Das Wanderwunder von Albanien ...Mrekullia e marshimit ne kembe ne Shqiperi.

26.07.2016  Wie die Alpen vor 200 Jahren

Das Wanderwunder von Albanien

VON FLORIAN SANKTJOHANSER, DPA
TMN
Die Berge im Norden Albaniens waren lange ein vergessener Winkel, ärmer noch als der Rest des heruntergewirtschafteten Landes. Doch nun wagen sich immer mehr Touristen in die bildschönen Hochtäler und geben den Einwohner eine Perspektive.
Sogar den Turm der Blutrache wollten die Fremden kaufen. Den Kulla e Ngujimit, der seine Familie seit 400 Jahre bewacht hat. "Aber ich wollte die Tradition nicht aufgeben", sagt Sokol Nikolle Koçeku. Der Wehrturm hatte die Herrschaft der Osmanen und der Kommunisten überstanden, als einer der wenigen in Albanien. Jetzt sollte er nicht der neuesten Invasion geopfert werden: dem Ansturm der Touristen.
Koçeku, 43, trägt besticktes Hemd, Weste und Bauchbinde, so wie immer, wenn er Besuchern seinen Turm zeigt. Er steigt die Holzleiter hinauf in eine Kammer, Dämmerlicht fällt durch die winzigen Fenster, niedrige Holztische stehen auf Fellen und Teppichen. Hier konnte sich ein Mörder der Blutrache entziehen, erklärt Koçeku. So lange, bis die Patriarchen der Familien von Täter und Opfer eine Lösung ausgehandelt hatten. "Aber das gelang nicht immer."
Die Kulla steht in Theth, einem Dorf in den "Verwunschenen Bergen" im äußersten Norden Albaniens. Es ist eine wilde Gegend, wo der Kanun, das mündlich überlieferte Gewohnheitsrecht, bis heute das Leben regelt. Die Menschen hier sind seit Jahrhunderten bitterarm. Wer konnte, zog weg. Zuerst in die Städte, und als das bizarre Regime des Diktators Enver Hodscha zusammenbrach, in den Westen. Doch nun geschieht ein kleines Wunder: Seit ein paar Jahren kommen immer mehr Wandertouristen in die Albanischen Alpen. Und mit ihnen kehren die Jungen zurück in ihre Dörfer.
Mit den Fernwanderwegen kommen die Touristen
Die wundersame Renaissance begann 2005, als die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) einigen Dorfbewohnern Kredite gab, um ihre Häuser zu renovieren und Fremdenzimmer einzurichten. Zugleich wurde ein grenzüberschreitender Fernwanderweg markiert. Der 192 Kilometer lange Peaks of the Balkans führt durch Albanien, den Kosovo und Montenegro. Er brachte mediale Aufmerksamkeit und die ersten Besucher. Nun durchquert noch ein zweiter Fernwanderweg die Albanischen Alpen, die Via Dinarica von Slowenien nach Mazedonien.
Den meisten Urlaubern sind diese Ochsentouren freilich zu extrem. Sie bevorzugen die kurze Rundtour, die sich unter Rucksackreisenden gerade zum Fixpunkt auf der großen Balkan-Tour etabliert. Sie beginnt in Shkodra, der 2400 Jahre alten Stadt am Skutarisee, dem Zentrum des Nordens.

In der gepflegten Fußgängerzone sieht man junge Westler in Cafés sitzen, zur Festung spazieren oder in den Reisebüros ihre Fähre für den nächsten Morgen buchen. Denn der schnellste und schönste Weg ins Valbona-Tal führt über den Koman-Stausee. Der Minibus startet früh morgens. Zwei Stunden rumpelt er durch eine Schlucht bis zum Fährhafen. Am Anleger sind Restaurants in die Felswand gebaut, die Reisenden drängen sich bei dem einzigen, das schon WLAN hat.
Als die Fähre anlegt, strömen die Albaner in den kühlen Innenraum. Aufs Sonnendeck setzen sich nur die Touristen. Sie wissen nicht, wie sengend heiß es dort in den nächsten Stunden wird. Aber was tut man nicht alles für ein Selfie? Der Hintergrund ist jedenfalls grandios. Mal zwängt sich die Fähre durch Hunderte Meter hohe Felswände, dann weitet sich der See wieder.
Waghalsige Bären-Begegnung
Am Fährhafen in Fierza wartet Catherine Bohne mit ihrem Geländewagen. Ein Verband bedeckt ihren Hals. Wegen des Bären-Zwischenfalls, wie sie sagt. Die Amerikanerin, Ende 30, wanderte durch den Wald, als sie eine Bärenmutter mit ihren Jungen sah. Entzückt rief sie ihren Mann. Was man halt so macht, wenn man aus New York stammt und sein halbes Leben Bücher verkauft hat. Die Bärin packte sie und verpasste ihr eine Ohrfeige, die Krallen schlitzten ihren Hals auf.
Nun ja, sagt Bohne, zumindest würden die Nachbarn im Dorf sie nun endgültig respektieren. "Sie erzählen einander, ich hätte einen Bären verjagt." Catherine Bohne kam 2009 das erste Mal nach Albanien. "Ich wollte eine Forscherin sein", sagt sie, "etwas entdecken wie im 19. Jahrhundert".
In einem Reiseführer hatte sie ein Foto von Valbona gesehen, einem abgelegenen Hochtal. Sie musste an die Reise mit ihren Eltern nach Griechenland denken, als sie acht Jahre alt war. Damals hatte sie auf der Fähre ein Land gesehen, grün, still, geheimnisvoll. "Was ist das?", hatte sie ihren Vater gefragt. "Das ist Albanien", hatte der Vater geantwortet. "Niemand kann dorthin gehen."
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